Persönliche Erklärung zur Bundestagsstimmung über die PKW-Maut

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Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung zur PKW-Maut habe ich folgende persönliche Erklärung abgegeben:

Persönliche Erklärung nach §31 der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages zur Abstimmung über die Einführung einer deutschen PKWMaut
– Alias „Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen“

Sie heißt Maut. Und wer Maut meint, soll auch Maut sagen. Maut ist ein etwa 1.000 Jahre alter Begriff. Er ist aus dem Gotischen mōta und dem Althochdeutschen mūta abgeleitet und bedeutet Wegzoll. Die CSU hat die PKW-Maut zu ihrem programmatischen Hauptanliegen in der Legislaturperiode 2013 bis 2017 gemacht: Ohne PKW-Maut keine Koalition, ohne Koalition keine Regierung, ohne Regierung Neuwahlen. Koste es was es wolle. Soweit die CSU.


Nicht ganz so weit liegt das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück zurück. Das war am Sonntag, den 1. September 2013. Richtig fair und im besten Sinne wurde über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde gestritten, darüber wie hoch bestimmte Steuern sein sollten, wie die Bankenkrise zu bewältigen sei und unter anderem auch über die von der CSU geforderte Maut. Horst Seehofer, CSU, hatte die Einführung der PKW-Maut in Deutschland schon vor der Wahl zu einer harten Bedingung für die Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag gemacht. In diesem TV-Duell am 1. September 2013 sagte die Kanzlerin: „Mit mir wird es keine PKW-Maut geben!" Und so wie wir sicher sein konnten, dass sich Peer Steinbrück für den Mindestlohn einsetzen würde, haben wir der Kanzlerin natürlich diesen schlichten Satz geglaubt: Mit Angela Merkel „wird es keine PKW-Maut geben“. Soweit die Kanzlerin.


Im Koalitionsvertrag wurden nun sehr viele einzelne Vorhaben vereinbart. Viele Punkte stammen aus dem SPD-Programm. Unser Stolz. Leider musste natürlich für jeden Punkt aus dem SPD-Programm, ein Programmpunkt von CDU/CSU akzeptiert werden. Unser Ärger. Um es exemplarisch anzudeuten: für die SPD ist der Mindestlohn essenziell gewesen, weil wir es nicht länger akzeptieren wollten, dass Menschen für eine Stunde ihrer Lebenszeit beispielsweise unanständige drei bis vier Euro erhalten. Dafür mussten wir ärgerliche Kompromisse machen, beispielsweise die PKW-Maut von CSU/CDU in den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag akzeptieren. Deshalb wird mit Angela Merkel heute die PKW-Maut in Deutschland eingeführt.

Die Kanzlerin wird das erklären – müssen.
Es sei daran erinnert, wie schwer es Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU gefallen sein mag, dem Mindestlohn oder der Frauenquote zuzustimmen – und ihnen dies nur in Würdigung des Koalitionsvertrags möglich war. So schwer fällt es uns heute gegen unsere Überzeugung einem CSU-Mautgesetz zuzustimmen, das den besonderen Makel trägt, entstehungsgeschichtlich nicht ganz frei von ausländerfeindlichem Ressentiment zu sein.


Gibt es nichts Gutes im Schlechten? Manchmal ist es schon die bestmögliche Politik, wenn es gelingt noch Schlimmeres zu verhindern: deshalb hat die SPD-Fraktion für die „PKW-Maut“ wichtige Voraussetzungen definiert:

  •  Das Gesetz muss mit europäischen Gesetzen vereinbar sein. (Versteht sich natürlich von selbst)
  •  Deutsche Autofahrer und Autofahrerinnen dürfen durch die Maut nicht zusätzlich belastet werden. (Sie bezahlen schon Kfz Steuer)
  • Es muss ein bedeutender finanzieller Beitrag eingenommen werden, der für die Verkehrsinfrastruktur Verwendung findet. (Damit die Verwaltungskosten der Maut, sie nicht vollständig aufzehren.)

Da in die Verkehrsinfrastruktur jährlich mehrerer Milliarden Euro investiert werden, mit der Maut aber
Einnahmeerwartungen von wenigen 100 Millionen verknüpft werden, haben wir schon heute eine
Evaluierung in zwei Jahren - einen verbindlichen Bürokratie- und Einnahmencheck - gesetzlich festgeschrieben.


Der erwartete Beitrag aus der Maut zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur ist marginal, der
Bürokratie bzw. Erhebungsaufwand enorm. Auch hier bin bin ich froh, dass die SPD-Kollegen im Verkehrsausschuss erheblich zur Verbesserungen  der Gesetzesvorlage beitragen konnten: Zunächst durch den Gedanken, Zeitvignetten für ausländische Kfz-Halterinnen und Kfz-Halter einzuführen, um eine bessere Gleichbehandlung zu erreichen.


Aber auch durch die Verkürzung der Speicherfristen für persönliche Daten der Kfz-Halterinnen und
Kfz Halter. Dennoch bereiten einige Punkte weiterhin Sorge. Bei der Durchführung des Gesetzes muss besonders auf den Datenschutz geachtet werden. Der Bürokratieaufwand für Bürgerinnen und Bürger aller Staaten muss sich in Grenzen halten und der Verkehr in den Grenzregionen darf nicht zusätzlich belastet werden. Die SPD-Fraktion wird auf diese kritischen Punkte bei der Durchführung des Gesetzes besonders Acht geben. So sollen die Wirkungen kritischer Punkte, die der gesetzlichen
Regulierung innewohnen, später noch im Vollzug gemildert werden.


Mit dieser Erklärung und vorbestimmt durch den Koalitionsvertrag, stimmen wir heute der Maut -
inzwischen: „Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen“ genannt, widerwillig zu.
Aber in Erinnerung daran, dass wir kürzlich den gesetzlichen Mindestlohn, die Mietpreisbremse oder
die Frauenquote eingeführt haben, verlangt der faire Umgang mit Vereinbarungen bzw. Verträgen, auch Koalitionsverträgen, nun heute auch unsere Zustimmung.


Viele Bürgerinnen und Bürger schreiben uns, das Mautgesetz einfach abzulehnen und nur unserem Gewissen zu folgen. Die Erwartung, dass wir unseren Gewissen folgen, erfüllen wir gern, denn dies ist in der SPD-Fraktion einer der wichtigste, wenn nicht der wichtigste Maßstab. Die PKW-Maut, eine
Straßenbenutzungsgebühr, gehört in unseremWertekanon allerdings nicht zu den
Gewissensentscheidungen. Nun hoffen wir, dass durch unseren Beschluss wenigstens ein echter zusätzlicher Beitrag zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur übrig bleibt, von dem sowohl deutsche als auch ausländische Autofahrerinnen und Autofahrer profitieren werden.
Berlin, den 27. März 2015